Studienbestand: 
Datenbank AIS Fallstudien
StudyID: 
s0047
Letze Aktualisierung der Studie: 
Mo, 2015-10-26

Betriebliches Interessenhandeln

Beteiligte Mitarbeiter
Artus, Ingrid
Liebold, Renate
Lohr, Karin
Schmidt, Evelyn
Schmidt, Rudi
Strohwald, Udo
Institutioneller Anbindung
Universitäten Erlangen, Jena und HU Berlin
Gefördert durch
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Studienlaufzeit
1992-1995
URL zur Studie
Kurzbeschreibung

Wie bei der Vorgängerstudie von Bosch et al. (1999) stehen nicht die Institutionen im Vordergrund, sondern die betriebliche Praxis der Interessenaushandlung (S. 17). Dabei müssen aber auf die besonderen Rahmenbedingungen in Ostdeutschland einbezogen werden (z.B. spezifische Traditionsbestände und Erfahrungen, ökonomische/rechtliche/personelle Einflussfaktoren), denn diese wirken sich auf die Spielräume bei der Interessenaushandlung aus (S. 18).

Ziel

Studie ist als Folge- bzw. Vergleichsstudie zu der vorangehenden Studie in Nordbayern angelegt (Bosch et al. 1999) (siehe Fallstudie 2). Bericht kann als Teil der Transformationsforschung begriffen werden, '(...) als er einen wichtigen Zeitraum nach der deutschen Vereinigung umfaßt (die Studie wurde von 1992 bis 1995 durchgeführt)' (S. 17).

Theoriebezug
Eigene Überlegungen zur 'politischen Kultur der innerbetrieblichen Austauschbeziehungen' (Schmidt/Trinczek 1989, Bosch 1995, Ellguth/Trinczek 1996, Schmidt/Trinczek 1999). Dies in Anlehnung an den Negotiated Order Ansatz von Strauss 1979, vor dem Hintergrund des marxschen Gedanken eines Interessengegensatzes von Kapital und Arbeit.
Geografischer Bezug
Deutschland
Informationen zur Datenerhebung
Es gab 2 Erhebungsphasen. Ingesamt 115 Interviews in den 27 Betrieben. 83 Interviews wurden während der ersten Erhebungsphase durchgeführt. Siehe Aufschlüsselung in Tabelle 6, S. 28 (von den 115 Interviews 58 mit Geschäftsleitung und 57 mit Betriebsräten). Pro Betrieb mindestens 2 Interviews (mit jeweils GL und BR). Diese "Minimalvariante" aber nur in 6 der 27 Betrieben - und zwar weil dort die Aussagen in der ersten Runde jeweils sehr kongruent waren. In der überwiegenden Zahl der Betriebe zwischen 4 und 6, maximal 8 Interviews (S. 28). Dauer in der ersten Erhebungsphase zwischen 1,5 und 4 Stunden (i.d.R. 2 - 2,5 Std.), in der zweiten Phase etwas kürzer, da dort nur auf Veränderungen eingegangen wurde. Mitschnitt auf Tonband. Tabelle mit Interviewpartnern auf S. 29, differenziert nach Funktion, Ost/West, Freigestellt/nicht freigestellt, männlich/weiblich. Daneben wurden Unterlagen der Statistischen Landesämter, der Industrie- und Handelskammern und vor allem Auskünfte der Gewerkschaftsfunktionäre/innen in den Verwaltungsstellen Thüringen, Brandenburg, und Ostberlin einbezogen.
Fallzahlen
27 Betriebe
Falldarstellung
Bei den verschiedenen Typen der Austauschbeziehungen wird jeweils darauf verwiesen, welche Betriebe ihnen zugrunde liegen. An dieser Stelle werden die Betriebe dann kurz skizziert, tauchen aber ansonsten nicht einzeln auf. Häufig Verwendung von Interviewzitaten, an denen die Betriebe erkennbar sind.
Selbstdefinition
"betriebliche Falldarstellungen" (S. 30)
Auswahl
27 Betriebe in 5 Branchen (Elektro/Elektronik, Maschinenbau Stahlindustrie/Gießerei, Stahlbau, Sonstiges), verteilt auf die Regionen Thüringen, Sachsen, Brandenburg, Ostberlin (genauer siehe Tabelle 1, S. 23).
Überblick Methoden
Das Untersuchungskonzept wird kurz dargestellt, für ausführlichere Informationen wird auf die Studie von Bosch et al. 1999 verwiesen. Untersuchungsteam wurde west-ostdeutsch gemischt, '(...) um eine höhere Sensibilität für die ostdeutschen Besonderheiten und eine komparative Schärfung bei der Feinabstimmung des analytischen Zugangs zu erlangen' (S. 20). Im Methodenkapitel (S. 21-30) wird auf die Auswahl der Untersuchungsgruppe (siehe Tabelle S. 23), die Anlage und Durchführung der Interviews ('themenzentriert', Dimensionen des Leitfadens werden aufgeführt, Interviewsample S. 26ff.) und die Aufbereitung und Auswertung des Datenmaterials eingegangen. Dabei werden auch im Forschungsprozess auftauchende Probleme skizziert (S. 22). Es gab 2 Erhebungsphasen, wobei die Erfahrungen der ersten Phase systematisch reflektiert wurden und in die folgende eingingen (insbesondere bei der Überarbeitung der Leitfäden) (S. 27).
Auswertung
Darstellung S. 29f.: Teiltranskription aller Interviews und erste Aufbereitung. Längs- und querschnittsorientierte Auswertungen. Dabei thematische Umgruppierung der transkribierten Interviewpassagen, Auslösung des Gesprächsverlaufs und Verdichtung der Protokolle. Für die Rekonstruktion der Interaktionsmuster: aufeinander bezogene Längsschnittanalysen der Interviews der Beteiligten jeweils eines Betriebes - zu diesem Zweck "betriebliche Falldarstellungen" (S. 30). Dafür wurden wiederum die Transkriptionen, als auch die verdichteten Protokolle hinzugezogen. "Falldarstellungen wurden allerdings nicht für alle Betriebe vorgenommen, sondern nur für solche, bei denen die Vorauswertung nahelegte, daß hier typkonstitutive Strukturen vorliegen" (S. 30). Wegen der großen Zahl der Betriebe und Interviews wurde bei der Auswertung ein methodischer Zwischenschritt eingeführt: parallel zu den Falldarstellungen und zur dimensionalen Auswertung wurden Betriebsprofile erstellt. Diese wiederum dienten einerseits bei der querdimensionalen Auswertung, "(...) denn es war kaum möglich, alle Facetten der 27 Betriebe jeweils präsent zu haben" (S. 30), andererseits als Referenzfolie bei den Längsschnittanalysen, die für die Betriebe mit typrelevanten Interaktionsmustern angefertigt wurden.
Ergebnisse
5 Dimensionen, die die Austauchbeziehungen von Management und Betriebsrat in ostdeutschen Betrieben prägen: a) Interessendefinition und Wahrnehmung der betrieblichen Interessenkonstellation, b) strukturierender Interaktionsmodus, c) Machtmittel, d) Rolle der Belegschaft im innerbetrieblichen Politikprozeß, e) Beziehung zu den Verbänden. Die analytischen Dimensionen sind Ergebnis aus theoretischen Vorüberlegungen und Relevanzsetzungen der Befragten (S. 163ff.). Typische Formen von innerbetrieblichen Austauschbeziehungen: 1.) Konfliktorische Interaktion (2 Betriebe), 2.) Interessenbetonte Kooperation (4 Betriebe), 3.) Integrationsorientierte Kooperation (9 Betriebe), 4.) Co-Management (3 Betriebe), 5.) Harmonischer Betriebspakt (2 Betriebe), 6.) Autoritär-hegemoniales Regime (3 Betriebe) (S. 172ff.). In einem abschließenden Kapitel (VI) werden die Interaktionsmuster einem Ost-West-Vergleich unterzogen und interpretiert: "Wenn wir davon ausgehen, daß der konfliktorische Typus und das Muster des Co-Management transitorische Interaktionsmuster sind, so gilt das für die übrigen Muster nicht, bzw. in geringerem Maße. Ihre relative Stabilität erhalten sie gerade dadurch, daß in ihnen substantielle und prozeduale Normen sich in einem dauerhaften Entsprechungsverhältnis befinden. Das heißt nicht, daß ein interessenbezogener Interaktionsstil unbedingt erfolgreicher für die Belegschaft sein muß, als ein integrationsorientierter, aber unseren Befunden nach liegt das Regulierungsniveau in Betrieben mit diesen Mustern im allgemeinen höher als in solchen mit einem "harmonistischen Betriebspakt" bzw. einem "hegemonial-autoritären Regime". Man wird deshalb wohl davon ausgehen können, daß sich das typische Spektrum der betrieblichen Interaktionsstruktur in den ostdeutschen Industrieunternehmen gegenwärtig in Richtung auf die vertretungsschwächeren, asymmetrisch strukturierten Muster des betrieblichen Interessenhandelns verschoben hat" (S. 283f.).

Datensätze / Materialien

Relevante Publikationen

  • Artus, Ingrid (2001): Betriebliches Interessenhandeln.
    Opladen: Leske und Budrich